Pflegegrad - ehemals Pflegestufe - beantragen: In 5 Schritten den Antrag richtig stellen
Um Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten, muss zuvor ein entsprechender Antrag gestellt werden. Wir klären die wichtigsten Fragen zum Pflegeantrag - Wer, wann, wie, wo und warum? Dazu gibt es Tipps für die Antragstellung.
- 1.Was sind Pflegegrade?
- 2.Pflegegrad Voraussetzung
- 3.Pflegegrad beantragen
- 3.11. Schritt: Pflegeantrag stellen
- 3.22. Schritt: Formular der Pflegeversicherung ausfüllen
- 3.33. Schritt: Termin für Pflege-Gutachten festlegen
- 3.44. Schritt: Das Pflege-Gutachten
- 3.55. Schritt: Pflegeantrag prüfen
- 4.Musterbrief für Pflegeantrag
- 5.Pflegegrad Erhöhung beantragen
Um Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung zu erhalten, müssen Versicherte einen Pflegeantrag stellen. Der Antrag kann formlos bei der Pflegekasse beziehungsweise Pflegeversicherung eingereicht werden. Zwar kann der Pflegeantrag mündlich gestellt werden, doch Experten empfehlen, dass dies immer schriftlich erledigt werden sollte. Hintergrund hierfür ist die Beweislast.
Bei gesetzlich Versicherten sind die Pflegekassen immer an die jeweilige Krankenkasse beziehungsweise Knappschaft angegliedert, bei der sie versichert sind. Privatversicherte haben hingegen ein Wahlrecht und können daher unabhängig von ihrer Krankenversicherung eine Pflegekasse wählen.
Das Antragsverfahren ist offen gestaltet. Antragsteller können also nicht einen bestimmten Pflegegrad beantragen, sondern zunächst ganz generell Leistungen aus der Pflegeversicherung. Dabei sollte unbedingt auf die Details geachtet, um zu verhindern, dass der Bedürftige zu geringe Leistungen erhält.
Was sind Pflegegrade?
Das System der Pflegegrade ist in Deutschland noch relativ neu. Sie wurden am 1. Januar 2017 eingeführt und lösten die bis dato geltenden Pflegestufen ab. Die entsprechenden Regelungen dafür sind im Zweiten Pflegestärkungsgesetz und im Sozialgesetzbuch festgeschrieben.
Ehemalige Pflegestufen:
- „Pflegestufe 0“
- Pflegestufe 1
- Pflegestufe 2
- Pflegestufe 3
Pflegegrad Voraussetzung
Um einen Pflegegrad zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dabei geht es vor allem darum, wie selbstständig Betroffene noch sind. Je weniger selbstständig sie sind, desto höher ist ihr Pflegebedarf. Der Bedarf wird immer im Einzelfall anhand einer bundesweit einheitlichen Punkteskala ermittelt. Je höher die Punktzahl ist, desto höher ist der Pflegebedarf und damit auch der mögliche Pflegegrad.
Pflegegrade (Definition laut § 61b SGB XII)
- Pflegegrad 1:
geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte) - Pflegegrad 2:
erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte) - Pflegegrad 3:
schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte) - Pflegegrad 4:
schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte) - Pflegegrad 5:
schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (ab 90 bis 100 Gesamtpunkte)
Die Pflegegrade unterscheiden sich schon vom Prinzip her grundlegend von den zuvor geltenden Pflegestufen. Bei letzteren war für die Einstufung entscheidend, wie viel Hilfe der Pflegebedürftige benötigte. Für die Pflegegrade ist es relevant, wie selbstständig der Antragsteller noch ist. Es wird also danach geschaut, wie weit der Pflegebedürftige seinen Alltag noch selber bestreiten kann.
Im Zuge dieser Änderungen wurde auch der Begriff der Pflegebedürftigkeit erweitert und damit auch der Kreis der Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten können. Seither stehen Demenzkranken, geistig Behinderten und Menschen mit einer länger anhaltenden psychischen Erkrankung die gleichen Leistungen aus der Pflegeversicherung zu, wie Pflegebedürftigen mit einer körperlichen Einschränkung. Wer also unter einer solchen Einschränkung leidet, sollte einen Pflegegrad beantragen.
Einen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung hat nur der, der in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag mindestens zwei Jahre in die Versicherung eingezahlt hat. Bis 2008 waren es gar noch fünf Jahre.
Pflegegrad beantragen
Pflegebedürftige werden mit Geldern aus der Pflegeversicherung unterstützt. Die Geldleistungen werden jedoch an gesetzlich bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Wer sie erfüllt, dem stehen die entsprechenden Beträge zu.
Es handelt sich also um keine Almosen, sondern um Pflichtzahlungen der öffentlichen Hand. Das Verfahren, mit dem Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragen können, lässt sich in fünf Schritten teilen:
1. Schritt: Pflegeantrag stellen
Um überhaupt Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten, muss man zuvor zwingend einen Antrag stellen. Für einen solchen Antrag gibt es keine spezielle Formvorschrift, daher genügt es zunächst, wenn man die Pflegekasse anruft oder ihr ein formloses Schreiben zuschickt.
Dabei braucht es dann keine ausufernden Erklärungen, lässt die Verbraucherzentrale wissen. Es genügt schlichtweg der Satz: „Ich stelle einen Antrag auf Leistungen der Pflegekasse“. Dazu die Kontaktdaten des Versicherten, das Datum und eine Unterschrift.
Auch wenn der Antrag telefonisch gestellt werden kann, sollte man ihn dennoch schriftlich per Mail oder Fax einreichen. Hier gilt das Sendungsdatum als Nachweis für den Posteingang. Wer einen Brief schreibt, sollte sich den Eingang per Einschreiben mit Rückschein bestätigen lassen.
Das Datum ist wichtig, denn Leistungen aus der Pflegekasse gibt es ab dem Tag, an dem der Antrag gestellt wurde. Monatliche Leistungen werden dann auf Einzeltage berechnet und nachgezahlt.
Das Schriftstück muss der Pflegebedürftige in der Regel selber unterschreiben. Ist er dazu nicht in der Lage, kann dies auch ein Bevollmächtigter übernehmen. Er muss dann dem Schreiben eine Kopie der Vollmacht beifügen. Gibt es einen gesetzlichen Betreuer, kann auch er den Antrag anstelle des Pflegebedürftigen unterschreiben.
2. Schritt: Formular der Pflegeversicherung ausfüllen
Hat die Pflegekasse den Antrag erhalten, schickt sie dem Antragsteller ein Formular zurück. Bei einigen Kassen kann man das auch online herunterladen. Im Formular werden persönliche Daten abgefragt und welche Pflegeleistung in Anspruch genommen werden soll. Grundsätzlich gibt es die beiden Möglichkeiten, sich zu Hause oder in einer stationären Einrichtung pflegen zu lassen.
Pflegeexperten wissen aus der Praxis, dass einige der detaillierten Fragen aus dem Antragsformular nur schwer zu beantworten sind. Daher raten sie, dass man die Fragen, die man beantworten kann, korrekt und möglichst vollständig ausfüllt.
Die Angaben, bei denen man sich unsicher ist, sollte man offen lassen. Denn falsche Angaben können dazu führen, dass der Grad der Pflegebedürftigkeit falsch eingeschätzt oder gar gänzlich abgelehnt wird. Das ausgefüllte Formular muss dann an die Pflegekasse zurückgeschickt werden.
Jedem, der Pflege beantragt, steht eine kostenfreie und unabhängige Beratung durch die Pflegekassen zu. Ist der Antrag gestellt, sollen die Kassen binnen zwei Wochen einen Berater dafür benennen. Alternativ kann man sich auch von einem kommerziellen Dienstleister unabhängig beraten lassen. Da deren Geschäftsmodell vom Erfolg der Anträge abhängt, sind deren Berater geschult, die bestmöglichen Konditionen für den Pflegebedürftigen herauszubekommen.
3. Schritt: Termin für Pflege-Gutachten festlegen
Sozialversicherte werden durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MD) begutachtet, Privatversicherte über den Medizinischen Dienst der Privaten (Medicproof). Dafür meldet sich der MD oder eben Medicproof beim Antragsteller und macht einen Terminvorschlag für die Begutachtung.
Innerhalb von 20 Arbeitstagen muss die Pflegekasse diesen Termin für eine Begutachtung möglich machen. Sollte der Tag oder die Uhrzeit für den Antragsteller nicht passen, kann er einen anderen Termin für das Gutachten vorschlagen.
4. Schritt: Das Pflege-Gutachten
Durch das Pflegegutachten soll festgestellt werden, ob der Antragsteller pflegebedürftig ist und dementsprechend einen Pflegegrad zugeteilt bekommt. Außerdem wird geprüft, ob die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln angemessen ist und ob ergänzend präventive oder kurative Leistungen hilfreich sind.
Damit die Bewertungen beziehungsweise Einschätzungen nicht vom Wohl des Gutachters abhängen, gibt es eine bundesweit einheitliche Richtlinie, die Vorgaben für das Pflege-Gutachten enthält.
Damit sollen beispielweise Gutachten in Mecklenburg-Vorpommern nach genau den gleichen Kriterien ablaufen wie die in Bayern. Die Richtlinie wird durch den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) beschlossen und kann unter anderem im Internet öffentlich eingesehen werden. Auch im SGB XI finden sich Statuten für das „Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit“.
Das Gutachten ist in drei große Abschnitte eingeteilt und sollte nach Meinung von Pflegeexperten etwa zwei Stunden dauern.
Im ersten Abschnitt werden die aktuelle Versorgungssituation, die pflegebegründete Vorgeschichte sowie Befunde durch den Gutachter erhoben. Dabei werden Angaben der begutachtenden Person, der Pflegeperson, der Angehörigen oder der zuständigen Pflegefachkraft abgefragt.
Die drei Punkte des ersten Abschnitts im Pflege-Gutachten:
- Punkt 1: Pflegerelevante Vorgeschichte und derzeitige Versorgungssituation
- Punkt 2: Gutachterlicher Befund
- Punkt 3: Pflegebegründende Befunde
Im zweiten Abschnitt bewertet der Gutachter die erhobenen Befunde und Informationen aus dem ersten Teil. Das macht er anhand von sechs Bereichen (Modulen), die den Alltag eines Menschen abbilden. Mittels eines Punktesystems wird dann die Selbstständigkeit bewertet. Die einzelnen Bereiche sind unterschiedlich stark gewichtet.
Auch der zweite Abschnitt hat drei Unterpunkte, die der Gutachter abarbeiten soll.
Punkt 4: Module des Begutachtungsinstruments (siehe Grafik)
Punkt 5: Ergebnis zur Begutachtung
Punkt 6: Erhebung weiterer versorgungsrelevanter Informationen
Im dritten und letzten Abschnitt vermerkt der Gutachter mögliche Pflegeleistungen für den Antragsteller. Die sollen so gestaltet sein, dass der Versicherte seine Selbstständigkeit möglichst weitgehend behält.
Punkt 7: Empfehlungen zur Förderung oder zum Erhalt der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, Prävention und Rehabilitation
Punkt 8: Weitere Empfehlungen und Hinweise für die Pflegekasse
Punkt 9: Prognose/Wiederholungsgutachten
Diese neun Punkte sollen laut der Richtlinie durch den Gutachter im Formular ausgefüllt werden, um eine mögliche Pflegebedürftigkeit festzustellen. Ein solcher Gutachter-Termin kann bei besonders dringenden Fällen ausfallen. Das kann etwa in Eilverfahren der Fall sein, dann wird auf Grundlage von Akten über den Antrag entschieden.
5. Schritt: Pflegeantrag prüfen
Das Antragsverfahren müssen die Pflegekassen innerhalb von fünf Wochen erledigen. Das heißt, in diesem Zeitraum müssen sie dem Antragsteller schriftlich mitteilen, ob sie einen Pflegegrad (ehemals Pflegestufe) anerkennen oder versagen. Startpunkt der Frist ist der Tag, an dem der Antrag gestellt wurde.
Schafft es die Pflegekasse innerhalb dieser fünf Wochen nicht, den Antrag fertig zu bearbeiten, muss sie dem Antragsteller eine Überschreitungsgebühr bezahlen. Für jede weitere Woche, in der die Frist überschritten wird, muss sie dann 70 Euro an ihn zahlen.
Erhält man einen Pflegegrad, stehen dem Bedürftigen entweder Pflegegeld oder Pflegesachleistungen zu. Unter Umständen kann er auch beide Leistungen miteinander kombinieren. Pflegegeld erhalten diejenigen, die sich zu Hause von Angehörigen oder ehrenamtlichen Pflegern betreuen lassen. Das Pflegegeld wird ausgezahlt und kann nach eigenen Wünschen ausgegeben werden.
Pflegesachleistungen erhalten die, die sich durch einen ambulanten und professionellen Pflegedienst betreuen lassen. Die Gelder sind zweckgebunden und werden von der Kasse nicht an den Bedürftigen ausgezahlt, sondern direkt an den Pflegedienst.
Aus den Übersichten zu Pflegegeld und Pflegesachleistung ist ersichtlich, dass zwischen den einzelnen Pflegegraden erhebliche finanzielle Unterschiede bestehen. Ist man der Meinung, dass ein zu niedriger Pflegegrad durch das Gutachten festgelegt wurde, sollte man einen Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Dann muss nochmal geprüft werden. Man kann auch einen höheren Pflegegrad beantragen, wenn sich der Zustand des Bedürftigen mit der Zeit verschlechtert hat.
Die Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung decken in der Regel nicht sämtliche Kosten für Pflegeleistungen ab. Oft müssen Betroffene beziehungsweise deren Angehörige eigenes Geld zusteuern. Reicht der Eigenanteil auch dann nicht, um die gesamten Kosten zu stemmen, muss Sozialhilfe beantragt werden.
Für den Pflegefall kann man sich zusätzlich privat absichern. Möglich sind Pflegetagegeld-Versicherungen, Pflegekosten-Zusatzversicherung und Pflege-Rentenversicherungen.
Musterbrief für Pflegeantrag
Der Antrag auf Pflegeleistungen kann formlos gestellt werden. Gerne können Sie dafür unseren Musterbrief verwenden. Hier können Sie unseren kostenfreien Musterbrief für Pflegeantrag herunterladen.
Hinweis zur Verwendung:
Kopieren Sie unseren Musterantrag und füllen Sie die grau schattierten Bereiche mit den entsprechenden Angaben aus. Den Brief senden Sie dann bitte an die Pflegekasse des Pflegebedürftigen.
Pflegegrad Erhöhung beantragen
Der Pflegebedarf kann steigen, wenn sich der Zustand Pflegebedürftiger verschlechtert. Daher ist es möglich, eine Erhöhung des Pflegegrads zu beantragen und mehr Unterstützung zu erhalten. Der Ablauf ähnelt dabei dem Verfahren wie beim ersten Antrag zur Pflege. Wer einen Pflegegrad erhöhen möchte, muss dazu zunächst einen Antrag bei der Pflegekasse stellen.
Darauf kann erneut ein Gutachten durch den MD beziehungsweise Medicproof erfolgen. Der Pflegebedarf wird anhand des Begutachtungsinstruments eingeschätzt. Ist die ermittelte Punktzahl entsprechend hoch, muss die Pflegeversicherung dem Antrag zu Erhöhung zustimmen und die Leistungen entsprechend anpassen.
Es ist möglich, dass einer oder mehrere Pflegegrade bei einer Höherstufung übersprungen werden. Hier kommt es letztlich immer auf den aktuellen Zustand des beziehungsweise der Pflegebedürftigen an. Der Antrag auf eine Erhöhung kann jederzeit gestellt werden.
Die Formulare, mit denen Sie den Antrag zur Erhöhung eines Pflegegrads stellen können, erhalten Sie über Ihre Pflegeversicherung. Einige Pflegeversicherungen bieten die Formulare auch online zum Herunterladen an.
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